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Abfahrt
Bis tief in die Nacht habe ich Klamotten gepackt. War mal wieder etwas spät dran. Habe noch bis kurz vorher gearbeitet und viel zu spät angefangen. Der Gepäckstapel auf der Transalp, wächst immer höher. Koffer, Packrollen, Topcase, Tankrucksack, alles ist schon knallvoll. Trotzdem kriege ich nicht alles unter. Werkzeug, Ersatzteile und Öl müssen auch noch irgendwo hin. „Unmöglich, das geht so auf keinen Fall“ denke ich mir. Also erstmal alles wieder runter, einige Dinge weggelassen, von vorne angefangen. Alles wieder auf den Bock, um festzustellen dass ich immer noch viel zu viel Plunder dabei habe. Das ganze Theater hat sich dreimal wiederholt bis es einigermaßen passte. Die Transalp sieht aus wie ein völlig überladener kleiner Muli.
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„Ich glaub du wirst alt. - Früher hast du dir nicht so einen Stress gemacht und es hat trotzdem immer alles gefunzt auf den Touren.“ denke ich mir. Aber die Trips waren auch noch nie so weit und keine 4 Wochen am Stück. Nach 3 Stunden Schlaf klingelt der Wecker. Ich überlege im Halbschlaf: „Moment mal,… heute war doch irgendwas… ?“ und drehe mich erst noch mal um. 3 Minuten später springe ich wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett . „Ja klar ! Heute ist es soweit ! Wir starten unsere Tour von Siegen nach Jerusalem !“ Wollen uns um 5:45 Uhr am Autohof treffen.
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Die Zeit reicht gerade noch zum Zähneputzen - und dann raus. Es regnet. "Na prima…" Ich setzte mich auf den Bock und habe große Mühe die Karre aus dem Carport zu rangieren. Es fühlt sich so an, als wäre zumíndest ein Reifen platt. Ich schaue nach, ist aber alles in Ordnung. „Meine Fresse, ist die Karre schwer !“ In der ersten Kurve im Ort bekomme ich erneut einen Schock. Die Kiste geht so schwer um die Ecke - "Wahnsinn !" Das Fahrverhalten ist so träge, gleicht dem eines Traktors. Mir kommen ernsthafte Zweifel ob die Transalp wohl wirklich für diese Tour, und vor allem mit diesem Gewicht, das richtige Moped ist. „Ich kann doch so nicht nach Jerusalem fahren. Bin ja froh wenn ich in diesem Zustand gerade mal 150 km weit komme…“ Noch im Ort werde ich von einer Dose (Pkw) überholt. Das ist mir noch nie passiert…
Auf dem Autohof, im Morgengrauen, treffe ich die Kollegen, die nicht viel wacher aussehen. Erst mal ´nen Kaffee.
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Meine weltbeste, unübertroffene, hübscheste und seit 17 Jahren treue Lebensgefährtin Claudia bereitet uns noch einen tollen, überraschenden Abschied. Es gleicht schon fast einer Zeremonie. Bewusst wollen wir diese Reise ja auch als „Pilgerfahrt“ betrachten. Wollen geschichtsträchtige und biblische Orte besichtigen und erleben. Von Claudia bekommt jeder noch eine persönliche Pilgerbotschaft nebst Halstuch. Sie liest jedem von uns seinen persönlichen Spruch vor. Das ist irgendwie ein ergreifender Moment.
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Wäre Claudia nicht da gewesen, dann hätte einem das Leid in die Schuhe fallen können an diesem grauen, verregneten Morgen. (Sie ist einfach die beste Frau auf der Welt, der Abschied viel schwer !) Endlich geht es los. Die ersten Kilometer sind für mich absolut bewegend. So ein Gefühl habe ich das letzte Mal gehabt, als ich als kleines Kind Weihnachten auf die Geschenke wartete. Ganz ehrlich ! Ich kann es kaum glauben dass der Traum wahr geworden ist, und ich jetzt mittendrin bin, in meinem Traum - Wahnsinn wir fahren endlich !
Auf der Autobahn ist das Handling der Transe auch akzeptabel. 54km weiter, hinter Wetzlar halten wir das erste mal an, denn es hat aufgehört zu Regnen. Wir entledigen uns der Regenkombis, ohne zu wissen dass es der letzte Tropfen Wasser vom Himmel für die nächsten 31 Tage gewesen sein sollte, und wir unsere Regenkombis höchstens noch als „Warndreieckersatz“ am Straßenrand gebrauchen müssen.
Nach einem großen Stau bei Aschaffenburg finden wir langsam unseren Rhythmus: Ca. 200km fahren, kurzer Tankstopp, wieder 200km fahren, 30 Min. Pause. Wir kommen gut vorwärts und sind am frühen Abend schon durch Österreich an der slowenischen Grenze.
Wir beschließen noch eine Runde weiter bis nach Zagreb zu fahren. Gegen 20:00 Uhr nehmen wir ein Zimmer im Motel „Plitvice“ kurz hinter Zagreb. Bezahlbar und in Ordnung. Wir freunden uns mit dem Nachtwächter an, der uns versichert, unsere Bikes besonders gut im Auge zu behalten. Werner holt seine Gitarre raus. Ja, er hatte wirklich eine Gitarre dabei ! Eine spezielle Traveller-Ausführung, mit etwas kürzere Mensur und gestutztem Body. Hat etwas weniger Bässe als eine „große“, aber der Sound ist wirklich in Ordnung. Von der Breite passt sie gerade noch so hinten quer auf seine Dragstar. Bei einem Sixpack und Zigarren genießen wir den lauen Abend in Kroatien, und stellen fest das knapp1200km für den ersten Tag ein guter Schnitt sind. Wir sehen zu, dass wir einigermaßen früh in die Kiste kommen, denn die ersten paar Tage wollen wir "Meter machen".
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