Kappadokien

Kappadokien liegt auf über 1000m Höhe und das macht sich durch deutlich angenehmere Temperaturen bemerkbar.
Gegen Abend sehen wir die ersten bizarren Vulkansteingebilde in der Nähe von Nevsehir und wissen dass unser Ziel nicht mehr weit sein kann. In Uchisar liegt dann der Talkessel von Kapadokien mit all seiner bizarren Schönheit vor uns.

Die Gegend ist so unwirklich. Eigentlich sieht es so aus, wie die Kulisse eines billigen Science Fiction Films aus den 60er Jahren. Überall stehen Säulen und zuckerhutförmige Gebilde aus Stein. Der so genannte „Tuffstein“ ist ein sehr weicher Stein, vergleichbar mit unserem Sandstein. Er lässt sich mühelos mit einfachen Werkzeugen bearbeiten. Deshalb haben die Menschen schon vor tausenden von Jahren diese Gebilde ausgehöhlt und darin gewohnt, und zahlreiche Höhlenkirchen in den Stein gehauen. Auch unterirdische Städte sind hier zu finden. Kappadokien war eines der wichtigsten frühchristlichen Zentren, und die Theologen streiten darüber ob hier wohl der Ursprung der Dreieinigkeitslehre zu finden ist, es spricht viel dafür.
Die Landschaft ist entstanden, in dem zwei Vulkane, vor Millionen von Jahren die Gegend mit Asche voll geblasen haben. Im Laufe der Zeit wurde die Asche zu Tuffstein verdichtet. Darüber ist dann durch spätere Eruptionen eine dünne, härtere Gesteinsschicht versprüht worden, aber nicht flächendeckend, nur partiell. Die Erosion hat den weichen Tuffstein ausgewaschen, aber nur da, wo kein härteres Gestein oben drüber lag. Übrig geblieben sind dann diese Türme und Kamine. Auch heute Leben die Menschen zum Teil noch in diesen Gebilden. Es gibt zwar auch ganz normale Häuser, aber ein Teil der Bevölkerung wohnt in diesen „Zuckerhüten“.

Wir suchen uns ein Hotel am Rande des Talkessels mit herrlichem Blick über Göreme und auf den 3900m hohen, erloschenen Vulkan Erciyes im Osten. Nachdem Werner den Zimmerpreis um ein Drittel heruntergehandelt hat beziehen wir unsere Räume. Wir haben ein tolles Haus erwischt, von freundlichen Engländern geführt, strahlt es einen urigen, komfortablen Charme aus. Unsere Zimmer liegen im unteren Bereich, und sind im hinteren Teil auch in den Tuffstein gehauen.
Wir sind alle ziemlich Müde und ausgepowert. War noch mal ein harter Ritt heute. Darum beschließen wir unseren ersten „day-off“ einzulegen. Morgen in aller Ruhe „fun-biken“ ohne Gepäck, die Gegend erforschen, und ein bisschen Energie tanken.

Am nächsten Morgen werde ich von Rugard geweckt, der mich im Morgengrauen auf die Terrasse ruft. Zahlreiche Heißluftballone über dem Tal, eine Mongolfiade. Traumhaft. Werner wird auch allmählich wach und spielt erst mal einen „Morgenblues“ auf der Klampfe.

Wir freuen uns einen Tag frei zu haben und aufs Motorradfahren ohne Gepäck. Relativ früh machen wir uns auf den Weg und sehen uns zuerst den Hauptort, Göreme an. Hier stehen ausgehöhlte, bewohnte Tuffsteinfelsen und „normale“ Häuser bunt gemischt durcheinander. Ich bin positiv überrascht, dass hier so wenig los ist. Normalerweise werden solche, landschaftlich einzigartigen Gebiete doch schnell zu Touristenzentren ausgebaut. Vieleicht liegt Kappadokien etwas zu weit weg, um die Touristen hier Massenweise mit Bussen hinzukarren.
Wir besichtigen das Göreme-Open Air Museum. Ein ganzes Tal, das in seiner Ursprünglichkeit belassen wurde und wo zahlreiche Höhlenkirchen zu finden sind. Die Kirchen stammen zum Teil aus dem 4. Jahrhundert. Erstaunlich gut sind die detailreichen und farbkräftigen Fresken erhalten, die Dunkelheit hat sie konserviert. Man bekommt auch einen Eindruck davon wie die Menschen hier früher gelebt haben müssen. Wahrscheinlich eher in etwas größeren Kommunen, es gibt Räume, mit in den Stein gehauenen, Sitzgelegenheiten für 20-30 Personen. Speisesäle, Vorratsräume und Schlafräume. Besonders schöne Fresken waren in der so genannten „dunklen Kirche“ zu sehen.

Ich glaube wir sind in jeder Höhle und jedem Loch gewesen was es in diesem Tal gab.
Anschließend fahren wir weiter nach Ürgüp und Essen dort zu Mittag. Mir fällt auf, dass es bereits hier schon manchmal getrennte Lokalitäten für Frauen und Männer gibt. Wir sind auf der Suche nach einem Motorradschrauber denn Rugard´s Rücklicht hat sich in seine Bestandteile aufgelöst. (Wir wollen vermeiden dass wir später an irgendeiner Grenze vielleicht deshalb noch Stress bekommen.) Wir fragen uns durch, und es soll hier tatsächlich jemanden geben, der was mit Bikes macht. Nach längerer Sucherei finden wir wirklich eine Motorradwerkstatt. Davor stehen alte Javas. Sehr sympathisch. In der Werkstatt wird alles repariert was zwei Räder hat. Man sieht dass hier nichts weggeworfen wird, alle Teile werden mehrfach wieder verwendet. Die Verständigung ist zwar eine Katastrophe, es geht nur mit Händen und Füßen, doch dann holt der Werkstattbesitzer einen Pappkarton voller gebrauchter Rücklichtgläser. Besser noch, er findet auch noch eins das mit ein paar kleinen Modifikationen passt. Wir kaufen noch Flickzeug und bezahlen für alles zusammen, incl. Montage, etwa 3,50 €. Da kann man nicht meckern. Alle sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Auf der Rückfahrt nehmen wir die Route über das „Love Valley“, wo es noch einmal besonders bizarre Felsformationen zu bestaunen gibt.

Einen Ort weiter erklettern wir einen sehr großen, freistehenden „Kamin“ (so heißen die Gebilde hier) der innen komplett ausgehöhlt ist. Danach besichtigen wir noch eine andere Höhlenkirche und fahren schließlich zurück ins Hotel.
Am späten Nachmittag mache ich mich noch mal alleine auf den Weg und cruise ein Bisschen durch die Gegend. In Uchisar suche ich ein Internetcafé auf, um mich über die aktuelle Sicherheitslage in Syrien und Jordanien zu informieren. Außerdem checke ich noch einmal das Abfahrtsdatum des Frachtschiffes, dass wir für die Rückreise gebucht haben.
„So ein Mist, dass Frachtschiff kommt früher.“ Das heißt für uns, dass wir jetzt ein wenig auf die Tube drücken müssen. Das ist sehr Schade, denn dadurch werden wir wahrscheinlich einige Ziele nicht besuchen können, die wir uns vorgenommen haben.

Das muss ich kurz erklären:
Wenn man Israel, gemeinsam mit dem eigenen Fahrzeug wieder verlassen möchte, und zwar Richtung Europa,  gibt es (in 2008) nur eine annähernd bezahlbare und praktikable Lösung. Man muss mit dem Frachtschiff einer italienischen Reederei zurückfahren. Die Italiener vermieten einige wenige Kabinen an so genannte „Frachtschiffreisende“. Im Zweiwochenrhythmus pendeln 2 Schiffe zwischen Europa und Israel. Der offizielle Fährverkehr und die Personenschifffahrt wurden schon vor vielen Jahren aus Sicherheitsgründen eingestellt. Bei dieser Frachtschiffreise muss man akzeptieren dass sich das Abfahrtsdatum, die Route und auch die Zeit, die das Schiff zurück nach Italien benötigt, jederzeit ändern können. Die Reederei plant die Route natürlich so, wie sie am günstigsten ihre Ladung aufnehmen und löschen kann. Der Zeitplan verschiebt sich ständig, da muss man sich dann nach richten. Wenn man bedenkt wie günstig man mit dem Flieger nach Tel Aviv kommt ist unser Vorhaben schon ziemlich bekloppt, denn die Italiener lassen sich ihre Monopolstellung sehr gut bezahlen. Abgesehen von den erheblichen Zoll- und Grenzformalitäten. Aber uns blieb sonst keine andere Möglichkeit diese Reise in der relativ kurzen Zeit durchzuziehen, und vor allem unsere Motorräder wieder mit nach Deutschland zu nehmen. Für Rugard und mich ging eh schon der gesamte Jahresurlaub drauf, mehr war einfach nicht drin.
In den Wochen vor unserer Abfahrt hatte sich das Abfahrtsdatum des Frachtschiffes schon mehrfach verschoben, aber immer nach hinten. „Jetzt wollen die auf einmal früher kommen“ - damit hatten wir nicht gerechnet.

Werner und ich studieren an diesem Abend noch lange die Syrien/Jordanien-Karte in unserem urigen Hotelzimmer. Wir überlegen uns mögliche Routen östlich des Jordangrabens. Es ist klar dass wir leider einige schöne Ziele streichen müssen. Wir wollen erstmal versuchen am nächsten Tag, in einem Rutsch, nach Aleppo zu kommen, unserem ersten Ziel in Syrien, und dann weitersehen.

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