Tartus

Die Abfahrt zur Mittagszeit war wohl keine so gute Idee. Im Verkehrschaos der Innenstadt geht es nur im Schritttempo vorwärts und wir schwitzen wie die Schweine. Zum ersten Mal, seit ich die Transalp besitze, steigt die Kühlwassertemperatur in den roten Bereich. Wir fahren über Hama, erst mal Richtung Homs. Mittlerweile haben wir uns an die etwas befremdliche, aber auch rücksichtsvolle Fahrweise der Syrer gewöhnt und kommen gut vorwärts.
Unterwegs begegnen uns wieder allerlei Kuriositäten:
Eine syrische Familie macht einen Ausflug auf einem undefinierbaren alten Motorrad. Zwei Kinder sitzen auf dem Tank, Vater und Mutter dahinter. Auf dem Gepäckträger: Kind 3. Alle barfuss im T-Shirt. Helme ? Schutzkleidung ? Was ist dass ?
Auf der Ladefläche eines alten Pickups, den wir gerade überholen, sitzt ein Mann im Scheich-Outfit und raucht seine Shisha. Direkt neben ihm zwei Schafe die gerade bei Tempo 90 Liebe machen. Er winkt uns freundlich zu.
Wir kommen bei Hama an einem Kraftwerk vorbei das gigantische schwarze Rauchwolken aus einem Schlot bläst und die ganze Gegend mit seinem Smog einnebelt. Direkt daneben stehen Wohnhäuser. 
Standard - Lkws sind hier die alten Mercedes Trucks mit der runden Schnauze die bei uns in den sechziger und siebziger Jahren rumfuhren. Ich finde diese alten Karren ja grundsätzlich geil. (hatte selbst mal einen LP710) Aber der Dieselruß in der Luft ist schon enorm.
An einer Tankstelle unterwegs lassen wir die Mopeds für einen kurzen Moment unbeaufsichtigt und ziehen uns in den Schatten zurück. Denn bisher hatten wir eigentlich immer gute Erfahrungen mit dem syrischen Tankstellenpersonal gemacht. Auf einmal ein großes Geschrei. Ich dreh mich um und sehe Werners Chopper in einer riesigen Lache von Benzin stehen, die Zapfpistole noch im Tank, und der Sprit läuft munter weiter, immer schön über den Tank, auf den Motor und auf den knallheißen Auspuff. Weiße Rauchwolken. Wie von der Tarantel gestochen rennt das komplette Tankstellenpersonal jetzt herbei und sie kippen Eimerweise Wasser auf den Chopper. Puh. Ist noch mal gut gegangen ! Werner ist verständlicherweise sauer. Das hätte auch gewaltig ins Auge gehen können.
Kurz vor Homs verpassen wir die Abfahrt ins Landesinnere, biegen dann später rechts ab und nehmen die Autobahn, die dicht an der Libanongrenze entlang zum Meer führt. Am frühen Nachmittag landen wir in der Hafenstadt Tartus. Dort nisten wir uns in einer Appartementanlage ein. Man hatte uns an der Rezeption versichert dass es ein TV gibt. An diesem Abend findet nämlich das EM-Endspiel Deutschland gegen Spanien statt. Mit dem TV-Empfang hat das dann doch nicht geklappt, aber man empfiehlt uns eine nahe gelegene Sportsbar. Wir fahren etwa 2 Kilometer in die Innenstadt. Kaum zu glauben, in Nähe des Hafens gibt es, ähnlich wie bei uns, eine Sportsbar mit einem Openair Public Viewing Point. Super. Der Laden ist schon knallvoll. Geschätzte 150 Männer scharen sich dicht gedrängt vor der Videoscreen. Kein Stuhl mehr frei. Als die Syrer mitbekommen dass wir aus Deutschland kommen, rücken sie zusammen und es werden 3 Stühle freigemacht. „You´re welcome“. Wahnsinn, die Syrer sind genauso fußballbegeistert  wie wir. Der Unterschied besteht eigentlich nur darin das hier alle mit einer Pepsi und einer Wasserpfeife sitzen. Alkohol gibt es nicht. Ich frage mich: „Warum sollte es einen Syrer interessieren wie Deutschland gegen Spanien spielt ?“ 

Tut es aber. Und wie. Geschrei und Gejammer bei jedem Tor, wie bei uns zu Hause, das macht Spaß. Der syrische Fernsehkommentator ist ähnlich pathetisch wie ein italienischer. Die Interessen sind auch ungefähr gleich aufgeteilt. Als Deutschland dann (leider zu recht) verloren hat gibt es fast noch einen Autokorso. Bengalische Feuer werden entzündet. Einige Syrer sprechen mir Trost zu.
Später im Appartement beschließen wir noch etwas am Strand entlang zu laufen. Der Strand und das Wasser sind leider so unglaublich dreckig und vollgemüllt, dass wir keine Ambitionen verspüren hier zu baden. (Deswegen waren wir ja eigentlich hierher gefahren) Vor der Küste liegen Frachtschiffe in langen Konvois vor Anker, was einem noch mal klar macht, wo man sich befindet: 20km vor der Grenze zum Libanon
Not macht erfinderisch. Alkohol ist in Syrien ja generell tabu. Aber die lassen sich da schon einiges einfallen um diese Regel zu umgehen. In Tartus gibt es kleine, künstlich aufgeschüttete Dämme, die wenige Meter ins Meer führen. Am Ende dieser Dämme gibt es dann entweder ein Restaurant oder einen Kiosk. Dort ist dann auf einmal auch Bier und Wein zu überteuerten Preisen erhältlich. Warum ? Ist doch klar, das Land wurde ja künstlich aufgeschüttet und der Kiosk liegt im Meer. Damit gehört er ja eigentlich gar nicht mehr zum syrischen „heiligen“ Land.

Wie auch immer, wir lassen den Abend noch in einem solchen „unheiligen“ Restaurant ausklingen. Dabei bemerke ich zum ersten Mal einen kleinen „ziehenden“ Schmerz in der Magengegend. (War wohl die Strafe)

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